Dienstag, 27. August 2013

Pierre Bourdieu




Das Grab Bourdieus
(Quelle Wikipedia)

Von den Kulturgläubigen, die die heiligen Werke verstorbener Propheten kultisch verehren, und den Kulturpriestern, die  - wie die Lehrer - ganz im Dienste des Kultes stehen, unterscheiden sich in allen Punkten die Kulturpropheten, die die Routine des ritualisierten Glaubenseifers erschüttern, bis sie selbst Gegenstand routinierter kultischer Verehrung neuer Priester und neuer Gläubiger werden. Es man stimmen, dass, wie Franz Boas schreibt, "das Denken der sogenannten gebildeten Klasse hauptsächlich von Idealen geregelt wird, die ihnen von vergangenen Generationen übermittelt wurden." Trotzdem ist das Fehlen jedweder künstlerischen Ausbildung weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für die angemessene Rezeption innovativer Werke und noch weniger für die Produktion solcher Werke. Der naive Blick kann hier nicht als höchste Form des raffinierten Schauens gelten. Aller Schlüssel beraubt zu sein, prädisponiert in keinem Fall zu einem Verständnis der Kunstwerke, die nur verlangen, dass man alle älteren Schlüssel beiseitelegt, damit das Werk selbst den Schlüssel zu  seiner Entzifferung freilegt. Zu genau  dieser Haltung jedoch haben all jene, die dem Kunstwerk am unbedarftesten gegenüberstehen, die geringsten Dispositionen.

Pierre Bourdieu, Kunst und Kultur, Kunst und künstlerisches Feld, Schriften zur Kultursoziologie 4, UVK- Verlag, Konstanz 2011, S. 152

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