Zitate

Von den Kulturgläubigen, die die heiligen Werke verstorbener Propheten kultisch verehren, und den Kulturpriestern, die  - wie die Lehrer - ganz im Dienste des Kultes stehen, unterscheiden sich in allen Punkten die Kulturpropheten, die die Routine des ritualisierten Glaubenseifers erschüttern, bis sie selbst Gegenstand routinierter kultischer Verehrung neuer Priester und neuer Gläubiger werden. Es man stimmen, dass, wie Franz Boas schreibt, "das Denken der sogenannten gebildeten Klasse hauptsächlich von Idealen geregelt wird, die ihnen von vergangenen Generationen übermittelt wurden." Trotzdem ist das Fehlen jedweder künstlerischen Ausbildung weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für die angemessene Rezeption innovativer Werke und noch weniger für die Produktion solcher Werke. Der naive Blick kann hier nicht als höchste Form des raffinierten Schauens gelten. Aller Schlüssel beraubt zu sein, prädisponiert in keinem Fall zu einem Verständnis der Kunstwerke, die nur verlangen, dass man alle älteren Schlüssel beiseitelegt, damit das Werk selbst den Schlüssel zu  seiner Entzifferung freilegt. Zu genau  dieser Haltung jedoch haben all jene, die dem Kunstwerk am unbedarftesten gegenüberstehen, die geringsten Dispositionen.

Pierre Bourdieu, Kunst und Kultur, Kunst und künstlerisches Feld, Schriften zur Kultursoziologie 4, UVK- Verlag, Konstanz 2011, S. 152 f.,




"Keine soziologisch gebildete Person kann die Augen vor den Ungleichheiten, die heute in der Welt bestehen, verschließen, und auch nicht vor dem Fehlen der sozialen Gerechtigkeit in vielen gesellschaftlichen Situationen oder den Entbehrungen, die Millionen von Menschen zu erleiden haben. Es wäre merkwürdig, wenn Soziologen in praktischen Fragen keine Stellung bezögen; und wenn sie das tun, wäre es sowohl unlogisch, als auch kaum durchführbar zu versuchen, sie daran zu hindern, sich auf ihr soziologisches Expertenwissen zu stützen."

aus: Anthony Giddens, Soziologie, Hg. Christian Fleck und Hans Georg Zilian, 1999





„Die Vorromantik erlaubte nur dem Genie, von der Regel abzuweichen, die Romantik leugnet die Geltung von objektiven Kunstregeln überhaupt. Jede individuelle Äußerung ist einzigartig, unersetzlich und trägt ihre Gesetze, ihre Maßstäbe in sich; diese Einsicht ist die große Errungenschaft der Revolution für die Kunst. Die romantische Bewegung wird jetzt erst zu dem Freiheitskampf, der nicht nur gegen Akademien, Kirchen, Höfe, Mäzene, Amateure, Kritiker und Meister geführt wird, sondern gegen das Prinzip der Tradition, der Autorität und der Regel überhaupt.“

Arnold Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, C.H.Beck, München, 1990, S. 672

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