Dienstag, 2. Juli 2013

„ein weites land“


  „Die Seele ist ein weites Land  ist wohl eines der bekanntesten Schnitzler Zitate und wird gerne dann benützt, wenn man die  
Unergründlichkeit, die Widersprüchlichkeit der menschlichen Psyche ins Spiel bringen will.

 
(c) sigurt funk, "weites land", Acryl auf Papier, 40 x 30 cm, 2013
Der Mensch sehnt sich nach Sicherheit und strebt gleichzeitig immer auch  das Neue, Unbekannte an. Dieses Begehren oszilliert zwischen diesen zwei Polen, wirft uns Menschen oft hin und her. Oft lässt es uns erkennen, wie wenig in unserem Leben eindeutig ist; immer wieder sind wir gezwungen, unsere Meinungen zu revidieren und auch andere, oft unliebsame Aspekte ein und desselben zur Kenntnis zu nehmen. Manchmal ist es schwer, damit fertig zu werden, manchmal aber eröffnet uns diese Mehrdeutigkeit unerwartet neue Horizonte.

So sehr wir auch die Sicherheit des Eindeutigen suchen, die uns bequem macht, weil wir uns in ihr ohne Furcht niederlassen können, weil sie uns Sicherheit bietet davor, aufgeschreckt zu werden, so sehr sehnen wir uns auch nach dem weniger Eindeutigen, oft sogar nach dem Widersprüchlichen und hoffen, unser Leben dadurch zu bereichern.

 Die Mehrdeutigkeit ist nicht zuletzt deswegen so wertvoll, weil sie sich unserer vorschnell wertenden Beurteilung oft geschickt entzieht; sie ringt uns, kaum haben wir unser Werturteil gefällt, immer  noch einen weiteren Blick ab, zwingt uns immer wieder eine weitere Vergewisserung unseres Standpunktes auf.

So müsste sich zumindest ein atheistischer, aller Esoterik abholder Künstler zu erst einmal fragen, ob es  ihm überhaupt erlaubt sein kann, den religiös konnotierten Begriff „Seele“  zu verwenden, ohne ihm Gewalt anzutun. Und so sind wir wieder bei der Mehrdeutigkeit gelandet. Wenn wir es mit der Freiheit der Kunst und mit der Mehrdeutigkeit der Begriffe ernst nehmen, muss man diese Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Umso mehr als bereits im Schnitzlerzitat  die geistige Verwandtschaft unserer Imaginationen von „Seele“ und „Landschaft“ offengelegt wird.

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